Nach vier Jahren Zwangspause wieder ein Jahresfest: Erstmals seit 2018 konnte die Fußball-Schiedsrichtergruppe Böblingen wieder ihr Jahresfest feiern und nahm diese Zusammenkunft in der Oberjesinger Wasenäckerhalle zum Anlass, langjährige und verdiente Unparteiische zu ehren und einem Vortrag des ehemaligen Bundesliga-Schiedsrichters Knut Kircher zu lauschen. Zuvor richteten Dirk Graf, Vorsitzender des SV Oberjesingen, und Schiedsrichter-Obmann Achim Gack aber auch noch einige mahnende Worte ans Publikum und bezogen sich dabei auf den „Fachkräftemangel“, der sich auch bei den Schiedsrichtern im Bezirk Böblingen/Calw immer stärker bemerkbar macht. Im Verbandsgebiet ist die Zahl der Unparteiischen von einst über 7000 auf 4500 gesunken, die Schiedsrichtergruppe Böblingen verfügt derzeit über rund 155 aktive Schiedsrichter. Am ersten Oktober-Wochenende konnten auch im Bezirk Böblingen/Calw nicht mehr alle Kreisliga-Spiele mit geprüften Unparteiischen besetzt werden. „Die Schiedsrichterei steckt in der Bredouille, und der Fußball geht ohne die Schiedsrichter-Tätigkeit immer stärker am Stock“, verdeutlichte Achim Gack die Brisanz. Seit dem letzten Jahresfest im November 2018 sank die Zahl der Schiedsrichter auch durch 5 Todesfälle. Die Gäste gedachten der verstorbenen Jürgen Drechsel, Luciano Ciccone, Martin Sowa, Peter Müller und Manfred Heugel.
Erstmals verantwortete der im Mai 2021 neu gebildete Ausschuss um Achim Gack und Vize-Obmann Christian Runge das Jahresfest. Als Hauptorganisatorin tat sich Anika Wenger hervor, die dem Ausschuss seit kurzem unter anderem als Frauenbeauftragte angehört.
Einen launigen Blick über Kreis-, Bezirks- und Landesgrenzen hinweg gewährte ein externer Gast – der ehemalige Fifa- und Bundesliga-Schiedsrichter Knut Kircher. Der 53-Jährige will zwar – im Gegensatz zu manch anderen aktuellen oder ehemaligen Schiedsrichtern – kein Buch über seine Karriere schreiben, teilt aber gerne seine Erlebnisse und Erfahrungen mit interessierten Zuhörern. Unter dem Titel „Freude am Entscheiden“ verdeutlichte der Maschinenbau-Ingenieur, dass Kompetenzen wie Teamorientierung, Entscheidungsfreude oder Deeskalation nicht nur auf dem Fußballplatz, sondern auch im privaten und beruflichen Bereich dazu beitragen können, richtige Entschlüsse zu fassen sowie Konflikte zu befrieden oder präventiv zu verhindern. Mit fünf Grundregeln versuchte Knut Kircher, die Anforderungen und Fähigkeiten eines Spitzenschiedsrichters in den Alltag zu transferieren: „Sprich authentisch mit den Menschen; habe keine Angst, Entscheidungen zu treffen; akzeptiere, dass du Mensch bist; lerne Kompromisse zu finden, sei empathisch; löse Konflikte, sie helfen dir nicht“, empfahl der Hailfinger, der auf 244 Erstliga- und 128 Zweitliga-Spiele sowie auf 35 internationale Einsätze zurückblicken kann, beispielsweise auch in Südkorea, Katar, Libyen oder Ägypten. Und Konflikte hat er auf dem Spielfeld mitunter auf unkonventionelle und lockere Art und Weise zu lösen versucht – beispielsweise als Nationalspieler Stefan Effenberg sich beim damaligen Bundesliga-„Novizen“ Knut Kircher beschwerte: „So einen Freistoß pfeift man in der Bundesliga nicht.“ Der Spielleiter ließ die Sache zunächst auf sich beruhen und verhängte keine persönliche Strafe für diese Kritik. Knut Kircher konterte wenig später aber verbal, als Effenberg einen Freistoß versemmelte: „So einen Freistoß schießt man in der Bundesliga nicht.“ Und schon war eine niederschwellige persönliche Ebene gefunden, die die vorherige Beschwerde auf eine lockere Art und Weise relativierte und beide Sportler wieder zusammenführte. Auch in manch anderen Situationen bereinigte Knut Kircher Konflikte, ohne eine gelbe oder gar rote Karte zücken zu müssen. Denn auch mit (verbaler) Sprache, Körpersprache, Mimik und Gestik lassen sich Entscheidungen vermitteln oder Konflikte lösen, führt er aus.
In der Wasenäckerhalle ehrte die Schiedsrichtergrippe Böblingen zahlreiche Unparteiische, die auf ein Jahres- oder Spielleitungs-Jubiläum zurückblicken können. In den „Klub der 1000er“ sind fünf weitere Unparteiische vorgedrungen. Für 1000 Spiele wurden (teils in Abwesenheit) geehrt: Manfred Conrad (TSV Dagersheim), Michael Jörg (TV Altdorf), Tobias Reichel (GSV Maichingen), Karl-Heinz Schnell (SF Kayh) und Matthias Sendersky (SF Kayh). Bereits 1500 Spiele hat Bruno Baur (SV Oberjesingen) geleitet. Mit einer WFV-Ehrung für 20 Jahre (silberne Ehrennadel) wurden Steffen Bechthold (SV Magstadt) und Ralf Thomas Hellwig (SV Böblingen) bedacht. Sogar schon seit 25 Jahren hantiert Rainer Protschka (VfL Oberjettingen) an und mit der Pfeife; er bekam dafür die goldene WFV-Ehrennadel verliehen. Eine besondere Ehrung wurde Kurt-Heinz Kuhbier (TV Darmsheim) zuteil: Er wurde zum Ehren-Obmann ernannt.
Die weiteren Ehrungen:
Ehrennadel in Bronze (fünf Jahre Schiedsrichtergruppe Böblingen): Kazim Balin (VfL Oberjettingen), Simeon Barth (TSV Kuppingen), Konrad Buck (TV Gültstein), Davide Di Mineo (VfL Sindelfingen), Josia Egeler (VfL Herrenberg), Francesco Ferro (VfL Sindelfingen), Florian Fessele (TSV Tailfingen), Stefan Hätinger (SF Kayh), Tom Henschke (TV Gültstein), Oto Juric (TSV Schönaich), Talha Karaaslaloglu (SV Oberjesingen), Hamza Kiroglu (TuS Ergenzingen), Elia Krutti (VfL Sindefingen), Jochen Lahrsow (TSV Ehningen), Kevin Ohla (GSV Maichingen), Danielle Pfeil (SV Nufringen), Niko Reger (VfL Sindelfingen), Fabian Rinderknecht (FSV Deufringen), Arne Rubehn (SV Affstätt), Furkan Sahinoglu (SV Affstätt), Armin Schick (SV Nufringen), David Simovski (TSV Dagersheim), Simon Tim Stolz (VfL Sindelfingen), Alex Thies (Spvgg Holzgerlingen), Thomas Till (TSV Grafenau), Nico Vetter (Spvgg Weil der Stadt).
Ehrennadel in Silber (zehn Jahre Schiedsrichtergruppe Böblingen): Akif Tayfun Göler (GSV Maichingen)
Ehrennadel in Gold (15 Jahre Schiedsrichtergruppe Böblingen): Jens Nüssle (SV Oberjesingen), Marc Schnaufer (VfL Herrenberg), Angelos Tsakiris (FC Gärtringen)
Gruppenehrung für 500 Spiele: Wafi Abed Zaidan (TV Darmsheim), Karol Ozimek (VfL Sindelfingen), Rainer Protschka (VfL Oberjettingen), Paul Reiss (SV Böblingen), Marc Schnaufer (VfL Herrenberg), Angelos Tsakiris (FC Gärtringen).
WFV-Ehrung für 15 Jahre (bronzene Ehrennadel): Manuel Bayha (TSV Waldenbuch), Selim Koc (SV Böblingen), Detlef König (Spvgg Weil im Schönbuch), Nermin Loncaric (FV Radnik Sindelfingen), Jens Nüssle (SV Oberjesingen), Karol Ozimek (VfL Sindelfingen), Marc Schnaufer (VfL Herrenberg), Patrick Stephany (TV Altdorf), Angelos Tsakiris (FC Gärtringen), Stefan Vogt (SV Rohrau), Achim Wöhr (TSV Hildrizhausen).